Nach gründlicher Vorplanung hieß es in diesem Jahr: Kletterfreizeit in den Berchtesgadener Alpen für sieben Jungs der Stop and Go- und Jugenddelinquenzgruppe sowie für vier Jungs von Go On, nicht zu vergessen vier Betreuer. Alpines Bergsteigen, Klettersteiggehen und natürlich auch chillen stand auf dem Programm der 8 gemeinsamen Tage.
Bereits auf dem Hinweg eröffnete sich uns ein herrlicher Blick auf die Alpen, so dass die Vorfreude auf, aber auch der Respekt vor den Bergen ständig wuchs. Gegen 18 Uhr trafen wir nach einer langen, aber entspannten Fahrt, weil alle gut drauf waren, in Marktschellenberg, nur unweit von Berchtesgaden, ein. Das Jugendgästehaus durften wir mit seinem riesigen Platzangebot exklusiv nutzen. Das Haus, eigentlich ausgelegt für bis zu 35 Personen, war für uns der ideale Ausgangspunkt für all unsere Touren, bot uns Platz satt, war mit Kicker, Tischtennisplatte, Billardtisch, Feuerstelle und einer super Küche ausgestattet.
Da das Wetter für uns am nächsten Tag leider Regen bereit hielt und wir nicht wie geplant den Übungsklettersteig nutzen konnten, erklommen wir mit der gesamten Gruppe die beeindruckende Almbachklamm. Mit lautem Getöse stürzten die Wassermassen durch die ausgewaschene Klamm. Die weiteren Tage hatte der Wettergott dann aber ein Einsehen mit uns und ließ die Sonne strahlen. Somit stand unserer eigentlichen Planung mit unseren Jungs, Erfahrungen in den Klettersteigen zu machen, nichts mehr im Wege. Klettersteige sind stahlseilversicherte Kletterrouten an nahezu senkrechten Felswänden, die nur mit geeignetem Klettersteigset und Helm begehbar sind. So wird die Erfahrung, mehrere hundert Höhenmeter an der nackten Felswand zu klettern, für körperlich fitte Menschen möglich ohne, dass Erfahrungen im Klettervorstieg notwendig sind.
Die ersten Erfahrungen durften unsere Jungs und auch die meisten Betreuer am Hanauer Stein in Schönau am Königsee machen. Vor herrlicher Kulisse wartete der Übungsklettersteig, ca. 80 Meter hoch, mit 5 Kletterrouten mit Schwierigkeitsstufen von A-D auf uns. Nach eingehender Materialkunde und Sicherheitseinweisung hieß es dann ab in den Steig. Schon nach wenigen Metern wurde den meisten klar, dass das kein Kindergeburtstag wird…hohe Konzentration und viel Geschick waren gefordert, um die Routen zu meistern. Der eine oder andere Jugendliche geriet dabei auch an seine Grenzen und musste erkennen, dass er mit der Höhe doch mehr Schwierigkeiten hatte, als er erst einmal vermutet hatte. Schlussendlich entschieden zwei Jugendliche für sich, dass sie einen ausgewachsenen Klettersteig nicht bewältigen können – eine erwachsene und verantwortungsvolle Entscheidung, die von allen anderen Jugendlichen akzeptiert wurde.
Von nun an wurde die Gruppe täglich in zwei Gruppen aufgeteilt, die eine Gruppe nutzte das gute Wetter zu einer kleineren Wanderung, um anschließend in eines der vielen Freibäder auszuschwärmen und dort viel Spaß beim Schwimmen, Springen und Rutschen zu haben. Die zweite Gruppe widmete sich dem Grünstein Klettersteig – nach einem anstrengenden, einstündigen, sehr steilen Zustieg bis zum Einstieg in den Klettersteig war es dann endlich soweit…wir standen vor der 500 Meter hohen Wand, die es zu bezwingen galt. Dem ein oder anderen kamen Zweifel, ob er das schaffen könne. Schließlich wagten sich jedoch alle an dieses Abenteuer. Schon nach wenigen Minuten hatten wir einen atemberaubenden Tiefblick auf den Königsee einerseits und einen wunderschönen Weitblick andererseits auf den Watzmann, den zweithöchsten Berg Deutschlands, der mächtig über dem Königsee thronte. Hoch konzentriert waren alle Jungs bei der Sache, jedem war klar, dass man sich an der Wand keine Fehler erlauben konnte. Gegenseitige Unterstützung, Rücksichtnahme und Motivation, sonst häufig Fremdworte im täglichen Gruppenmiteinander, waren auf dem anstrengenden Weg nach oben plötzlich selbstverständlich. Die Jungs konnten sich an den Ausblicken gar nicht satt sehen, waren von der Natur schwer begeistert. Getoppt wurde das nur noch durch das Gefühl des Gipfelglückes, das nur der kennt, der schon aus eigener Kraft einen Berg bezwungen hat. Voller Stolz posierten alle am Gipfelkreuz, bei der Rast auf der Hütte in fast 2000 Metern Höhe war die Stimmung ausgelassen und jeder hatte eine Menge zu erzählen. Gemeinsam mit vielen anderen Bergsteigern, die allerdings fast alle über den Normalweg aufgestiegen waren, kamen wir ins Gespräch und die Jungs berichteten voller Stolz von ihrem Aufstieg im Klettersteig. Für den anschließenden, steilen Abstieg benötigten wir dann auch nochmal 1,5 Stunden. Vollgepackt mit Erlebnissen und Eindrücken ging es dann zurück zur Unterkunft. Erschöpft, aber glücklich, fielen alle relativ früh am Abend ins Bett.
Die Begeisterung für das Klettern war so groß, dass wir, nachdem alle den Grünstein bestiegen hatten, uns noch die Drachenfelswand am Mondsee als nächste Herausforderung heraussuchten. Auch hier wartete auf uns eine wunderschöne Kulisse. Neben der noch etwas anspruchsvolleren Kletterroute war die Hängebrücke, die über 20 Meter Länge zwischen zwei Felspfeilern gespannt war und einen Tiefblick von 250 Metern ermöglichte, das absolute Highlight dieser Tour. Weiche Knie beim Überqueren waren inklusive…und auch hier schafften es alle Teilnehmer sich zu überwinden, über sich hinauszuwachsen und den Gipfel zu erreichen.
Auch, wenn es bei den zu erledigenden Diensten und Aufgaben im Haus nicht immer problemlos ablief und auch die Zusammenführung der drei Gruppen nicht immer einfach war, zogen alle Beteiligten ein absolut begeistertes, positives Resümee. Die gemeinsamen Erlebnisse am Berg haben die Beziehungen zwischen Jugendlichen und Betreuern in ganz außerordentlicher Weise gestärkt, auch der Zusammenhalt unter den Jugendlichen schien mit jeder gemeinsamen Erfahrung zu wachsen. Alle Teilnehmer, sowohl Jugendliche als auch Teamer, waren stolz auf das Erreichte, das sie so selbstwirksam mit allen Sinnen in der Natur, erlebt hatten. Wir sind gespannt auf die Nachwirkungen, die diese Erfahrungen sicherlich im Gruppenalltag haben werden.
Und eins ist sicher…wir kehren zurück in die Berge!
Verfasser: Matthias Beckmann