Moderne Heimerziehung heute – Band 2 und Band 3
Die Systemische Interaktionstherapie und die Psychomotorik in der Intensivpädagogik
In diesem Doppelband „Moderne Heimerziehung heute“ finden Sie zwei Artikel zur Theorie und Praxis der Psychomotorik in der Intensivpädagogik, sowie zwei Artikel zur Systemischen Interaktionstherapie im Rahmen der Erziehungshilfen. Im vorliegenden Fachbuch werden theoretische Ansätze und Methoden beschrieben, die in der Ev. Kinderheim Jugendhilfe Herne & Wanne-Eickel gGmbH ihre Anwendung finden. Genau wie der erste Band „Moderne Heimerziehung – Berichte aus der Praxis“ verfolgt
dieses Buch die Absicht, pädagogischen Fachkräften, Fachkräften aus Schulen, Ämtern, Einrichtungen der Erziehungshilfen, im Sozialwesen Tätigen sowie interessierten Laien die Praxis in den stationären Erziehungshilfen greifbar zu machen.
Es zeigt, wie und womit heute moderne Heimerziehung konfrontiert ist und welche Antworten das Ev. Kinderheim Herne für / auf diese damit verbundenen Herausforderungen
findet.
In einer sehr verständlichen Sprache wird die Entstehung des Ansatzes der „Systemischen Interaktionstherapie“ zunächst im historischen Kontext der Kinder- und Jugendhilfe beleuchtet. Es geht dabei über die üblichen systemischen Ansätze hinaus, weil er nicht nur die Eltern, sondern auch das Jugendamt und andere für die betroffenen Kinder und Jugendlichen bedeutsame Institutionen mit einbezieht. Die Orientierung an den hier dargestellten Grundannahmen bilden die Basis erzieherischer Haltung und somit Voraussetzung für eine gelungene erzieherische Arbeit. Die Entwicklung eines Phasenmodells mit konkreten Beispielen bietet eine Fülle von Anregungen für diese Praxis, die mit der Methode des Rollenspiels mit den Erzieherinnen eingeübt werden kann. Die gleiche Methode wird auch für die Arbeit mit den Eltern empfohlen: Rollenspiel als Diagnose und Lernmodell für die Elternarbeit – ein interessanter und wie es scheint erfolgreicher Ansatz.
Der Ansatz ist systemisch und ressourcenorientiert, er lenkt den Focus weg vom Individuum und bezieht das Umfeld des Kindes und Jugendlichen mit ein, schießt aber dabei aus meiner Sicht etwas über das Ziel hinaus, da das Kind und der Jugendliche darin nicht mehr vorkommen. Es geht nur noch um die Arbeit der Eltern, denen schließlich auch die „Schuld“ in die Schuhe geschoben wird. “ Wenn die Eltern ihr Erziehungsverhalten verändern, …, ändern die Kinder nach einer kurzen Zeit des Testens ihr Verhalten sehr schnell“ ( S 121 ).
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In Band 3 dieses Doppelbandes steht die Psychomotorik in der Intensivpädagogik im Mittelpunkt. Holger Jessel stellt in seinem ersten Artikel in diesem Buch die „Psychomotorische Entwicklungsbegleitung in der Intensivpädagogik“ dar. Hier wird insbesondere die Gewaltprävention aus psychomotorischer Sicht behandelt.
Nach einer ausführlichen Darstellung der Problemlage der Kinder und Jugendlichen in unserer Gesellschaft stellt Jessel verschiedene Konzepte als Grundlage für seinen eigenen Ansatz vor. Identitätsarbeit, reflexible Leiblichkeit, Habituskonzept, Bedürfnisansatz nach Grawe, Konzept der Salutogenese und schließlich Ansätze der Psychomotorik in ihrer
Relevanz für seinen eigenen „multiperspektivischen Ansatz der psychomotorischen Gewaltprävention“, deren Systematisierung sich in weiten Teilen an dem Wirkkomponentenmodell von Grawe orientiert.
Der Text ist nicht immer einfach zu lesen, bietet jedoch eine sehr gute, theoretisch fundierte Darstellung mit Anregungen für eine psychomotorische Praxis.
Der zweite Artikel von Jessel, „Körper und Leib als Navigationshilfen in schwierigen Gewässern“, beschrieb den Beratungs- und Fortbildungsprozess der Mitarbeiter und Mitarbeiterrinnen sowie die Implementierung der Psychomotorik in den Alltag dieser Intensivwohngruppe für traumatisierte Kinder und Jugendliche aus der Sicht des Fachberaters – ein Prozess in dem der ganzheitliche Ansatz der Psychomotorik deutlich wird, weil hier im Beratungsprozess nicht nur geredet, sondern auch aktiv gehandelt, also leiblich agiert wird. Pädagogischen Fachkräften aus Schulen, Ämtern, Einrichtungen der Erziehungshilfen und im Sozialwesen Tätigen ist dieses Buch zu empfehlen, weil es den Horizont erweitert und sehr gute Anregungen für eine gelungene Praxis der Kinder- und Jugendhilfe bietet.
Dr. Richard Hammer
Kath. Fachschule für Sozialpädagogik – Saarbrücken